Krieg in Europa und die Zinswende im Jahr 2022
Voranzustellen ist, dass der barbarische Überfall des Wladimir Putin auf die friedliche Ukraine nichts weniger ist, als ein abscheuliches Kriegsverbrechen, das menschliches Leid verursacht, das mit Worten nicht angemessen zu beschreiben ist. Deutschland darf froh und dankbar sein, wenn es selbst nicht unter die Waffengewalt des Kriegstreibers Putin gerät.
Trotz der katastrophalen Ereignisse in Europa, haben wir unserer täglichen Arbeit weiter nach zugehen. Nachstehend betrachten wir daher aus unserer Sicht, die Auswirkungen des Krieges auf die Entwicklung der Geldpolitik in unserem Land.
In unserem Beitrag zum Jahreswechsel 2021 / 2022 hatten wir zur Beantwortung der Frage nach der künftigen Entwicklung der Bauzinsen in Deutschland zusammenfassend darauf abgestellt, dass die EZB-Chefin Lagarde noch im Dezember 2021 deutlich gemacht hatte, dass es „unter den gegenwärtigen Umständen, sehr unwahrscheinlich, sei, dass wir die Zinsen im Jahr 2022 anheben“, weswegen zur Annahme gelangt werden konnte, dass sich das Nieveau der Bauzinsen entsprechend entwickeln würde.
Im Licht des Krieges zwischen der Ukraine und der russischen Föderation seit Ende Ferbruar 2022, haben sich die seitens der EZB-Chefin im Dezember 2021 in Bezug genommenen „gegenwärtigen Umstände“ in einer Weise verändert, wie sie radikaler nicht sein könnte.
Unverändert bleibt zunächst die Aussicht darauf, dass die US-FED in 2022 zu Zinserhöhungen übergehen wird. Der Grund hierfür liegt nach wie vor in der hohen US-Inflationsrate die weit ab vom angestrebten Wert von 2% liegt.
Dem hohen Inflationsniveau steht ein sich erholender Arbeitsmarkt in den USA gegenüber, so dass bei einer fortgesetzt positiven Wirtschaftsentwicklung in den USA mit einem -im Vergleich zu 2015- rascheren Anheben des Zinsniveaus gerechnet werden kann.
Unter Fachleuten wird für 2022 mit 5 bis 7 Zinsanhebungsschritten der FED gerechnet, wobei wegen der hohen US-Inflation ein erster größerer Anhebungsschritt von etwa 0,5 Prozentpunkten im März 2022 nicht völlig ausgeschlossen sein dürfte.
Unabhängig von den anstehenden Zinsanhebungen in den USA sind jedoch auch in Deutschland die Bauzinsen in den ersten Wochen des Jahres 2022 bereits um mehr als 0,5 Prozentpunkte angestiegen, auf ein Konditionsniveau von rund 1,6 Prozent.
Klar ist, dass die EZB sich im gegebenen Umfeld grundsätzlich auf dem Weg der Normalisierung der Geldpolitik befindet. Gleichwohl ist hierzu die drängende Frage zu stellen, welche Bedeutung die aktuelle und gemeinhin unerwartete Eskalation der Ukraine-Krise und das Aufflammen des heißen Krieges auf diese Geldpolitik nimmt.
Bereits am 24.02.2022 ist der Rat der EZB informell zusammengetreten. Am 25.02.2022 nahm die EZB-Chefin Lagarde am Treffen der europäischen Wirtschafts- und Finanzminister teil. In nachfolgender Pressekonferenz verlautbarte Frau Lagarde sodann sinngemäß folgendes: „Die Notenbank wird für die Preis- und Finanzstabilität tun, was nötig ist.“
Die Äußerungen aus den Reihen der Mitglieder des EZB-Rates klingen zurückhaltend. Die EZB-Direktorin Schnabel sparch vom Vorliegen eines „Kriegsschocks“. Gleichwohl äußerte sich der österreichische Notenbankchef Holzmann dahingehend, dass die EZB sich (gleichwohl) weiterhin in die Richtung einer geldpolitischen Normalisierung bewege, deren Bewegungsgeschwindigkeit sich jedoch möglicherweise verringere. Der französische Notenbankchef Villeroy betonte, dass nach seiner Auffassung, die EZB sich angesichts der derzeitigen Unsicherheiten nicht festlegen sollte sondern flexibel bleiben sollte.
Angesichts des krisenbedingt erwarteten Rückgangs des BIP (Brutto-Inlandsprodukt) und des weiteren Ansteigens der Inflation durch krisenvermittelt stark steigende Energiepreise, wird in Fachkreisen erwartet, dass der EZB-Rat bei seiner nächsten Sitzung am 10.03.2022 zwar eine Entscheidung hin zu einer strafferen Geldpolitik treffen wird, dass aber keine großen Schritte unternommen werden. Das bedeutet, dass der Ausstieg der EZB aus Anleihekäufen ebenso langsamer verlaufen könnte, wie das Durchführen von Schritten der Zinsanhebung.
Bundesanleihen werden als vergleichsweise sichere Werte seit Beginn des Krieges in der europäischen Ukraine vermehrt nachgefragt. Aufgrund der erhöhten Nachfrage steigen die Kurse der Anleihen wobei deren Rendite sinkt. Die Rendite der Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit ist mithin am 24.02.2022 signifikant um 10 Basispunkte auf 0,14 % zurückgegangen. Nachdem die Entwicklung der Bauzinsen sich an der Renditeentwicklung der Bundesanleihen orientiert, erscheint es möglich, dass dieser Zinsrückgang sich auch auf das Niveau der Bauzinsen auswirken wird.
Als kurzfristiges Ergebnis der aktuellen Entwicklungen wird man annehmen dürfen, dass es trotz der veränderten Sicherheitslage in Europa aktuell nicht zu signifikanten Steigerungen der Bauszinsen kommen wird. Möglicherweise kann in der nächsten Zukunft sogar ein leichter Rückgang der Bauzinsen beobachtet werden.